Anwälte als Handlanger der Neonazi-Szene?

admin am 5. März 2010 um 20:26

Michael Andrejewski fordert Freispruch für Parteikollegen – Dubiose Hintergründe der Verteidigung im Prozess um Neonazi-Überfall

Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 05. März 2010

Freisprüche forderten zwei der Verteidiger heute vor dem Landgericht Rostock im Prozess um den Neonazi-Überfall auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007, ein weiterer plädierte maximal für eine Bewährungsstrafe. Der NPD-Landtagsabgeordnete Michael Andrejewski hielt in seinem Plädoyer weiterhin die Neonazi-Propaganda eines “linken” Überfalls aufrecht und verglich Zivilcourage gegen Rechts mit Rassismus und Antisemitismus.

Den brutalen Angriff auf jene, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen, bezeichnete Andrejewski als “Notwehr” gegen einen angeblichen “linken” Angriff. Dass es diesen nicht gegeben hat und selbst die von der Verteidigung vorgeladenen Entlastungszeugen aus der rechten Szene nicht angeben konnten, geschlagen worden zu sein, ignorierte er. Stattdessen setzte er in typischer NPD-Diktion Zivilcourage gegen Neonazis und ihre Ideologie mit rassistischer und antisemitischer Gewalt gleich. Da ihm alle Betroffenen unglaubwürdig waren und Grewe aufgrund seiner Tätigkeit im NPD-Ordnungsdienst sehr um Recht und Gesetz bemüht sei, forderte er dessen Freispruch. Der Verteidiger von Dennis F., Sven Rathjens, schien von der Unschuld seines Mandanten nicht gänzlich überzeugt zu sein und plädierte maximal für eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten wegen fahrlässiger Körperverletzung. Der Rechtsanwalt des dritten Angeklagten forderte im Einklang mit der Staatsanwaltschaft einen Freispruch, da ihm keine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden könne.

Im Verlauf des Prozesses war die Verteidigung mehr als einmal aufgefallen. Diese umfasst nicht nur Michael Andrejewski, der seit Jahrzehnten aktiver Kader der extremen Rechten und der NPD ist. Ihm zur Seite stand in der Verteidigung Michael Grewes der Rostocker Anwalt Thomas Penneke, der als Hausanwalt der Neonazi-Szene Mecklenburg-Vorpommerns eine Vielzahl von rechten Kadern und Gewalttätern verteidigt. Er ist Mitglied einer Burschenschaft im Dachverband der “Deutschen Burschenschaft”, der von vielen Seiten Nähe zur extremen Rechten vorgeworfen wird. Sven Rathjens ist „Bundesbruder“ und Kanzleikollege Pennekes. In der Zeugenbefragung war offenkundig geworden, dass er zwei Entlastungszeugen der rechten Szene zu einem gemeinsamen Vorgespräch geladen hatte. Den Kontakt hatte der Rostocker Neonazi David Petereit vermittelt, der einem dieser Rechten auch Einblick in die Anklageschrift gewährte, die Teil der Ermittlungsakten ist. Die Einlassungen der Angeklagten Michael Grewe und Dennis F. waren auf einschlägigen rechten Internetseiten im Wortlaut veröffentlicht worden. Mit Drohungen über juristische Auseinandersetzungen versuchte Rathjens, die Berichterstattung der Prozessgruppe Pölchow über die Verhandlung einzuschränken.

“Teile der Verteidigung arbeiteten gemeinsam mit der Neonazi-Szene weiter an der Umschreibung des rechten Überfalls in Pölchow”, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. “Sie machen sich dadurch gewollt oder ungewollt zu Handlangern der extremen Rechten, die jede noch so brutale Gewalttat gegen nicht-rechte Jugendliche, Migranten, Journalisten oder linke Politiker ideologisch zu rechtfertigen weiß.”

Ausführliche Informationen sind im Prozessbericht zum achten Verhandlungstag zu finden.

Ticket zum Prügeln

admin am 5. März 2010 um 20:13

Bericht vom achten Prozesstag am 05. März 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Freispruch forderte das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewski für seinen Mandanten und Parteikollegen Michael Grewe und meinte, Zivilcourage gegen Rechts sei vergleichbar mit Antisemitismus oder Rassismus. Die Verteidiger der Angeklagten hielten am heutigen achten Verhandlungstag ihre Plädoyers im Prozess um den Überfall von Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007, das Urteil wird am 16. März erwartet.

Bereits in ihrem Plädoyer am vergangenen Verhandlungstag hatte die Staatsanwältin mitgeteilt, dass Stefan V. freigesprochen werden müsse. Es sei zwar davon auszugehen, dass er an dem Angriff beteiligt war, doch im Prozess konnte ihm keine genaue Tat nachgewiesen werden. Diesem Urteil schloss sich dessen Verteidiger Thomas Kampelmann an und wies darauf hin, dass nur ein Zeuge ihn erkannt hat, über genauere Beteiligungen an dem Angriff jedoch keine Angaben machen konnte.

NPD bemüht antisemitischen Vergleich

Dem folgte das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewski mit einem Plädoyer für seinen Parteikollegen und -Mitarbeiter Michael Grewe. Er wollte einmal mehr glauben machen, dass der Angriff der Neonazis auf den Waggon der nicht-rechten Jugendlichen durch diese provoziert, gar gezielt herbeigeführt worden sei, als sie eine kleinere Gruppe von Neonazis zum Verlassen des Abteils aufgefordert hatten. Die auch als Zeugen vorgeladenen Rechten seien dabei selbst geschlagen worden, behauptete er, obgleich von diesen vermeintlichen Opfern niemand das vor Gericht ausgesagt hatte. Ausholend verurteilte Andrejewski jedoch diese Konfrontation mit den Neonazis, die er als Versuch bewertete, eine Reaktion der größeren Gruppe Rechter zu provozieren. Solch ein Engagement gegen Neonazis, die sich bewusst für eine mörderische und menschenverachtende Ideologie aussprechen, setzte er gleich mit antisemitischer und rassistischer Gewalt. Man stelle sich vor, fragte er in bekannter NPD-Diktion, Ausländer oder Juden würden aus einem Zug herausgeworfen werden. Dahinter verberge sich eine „Apartheidsgesinnung der linken Schläger“. Dabei räumte er selbst ein, die Rechten seien „billig davon gekommen“. Würde Andrejewski mit Linken in einem Zug sitzen, würde er sofort sein Testament machen.

Grewe zum Hilfs-Sheriff stilisiert

Dass Michael Grewe in den Waggon der nicht-rechten Jugendgruppe stürmte, wertete Michael Andrejewski als Notwehrhandlung und einen Versuch zur Hilfe. Zynisch kommentierte er, der Besitz eines Zugtickets habe Grewe zum Betreten des Waggons ermächtigt. Er hätte „dabei genau so gehandelt, wie ein Polizeibeamter auch“. Die Aussagen der Betroffenen bewertete Andrejewski als abgesprochen und unglaubwürdig, während der Verteidiger stattdessen Berichte von Zeugen wie Nadine B. – die sich unentwegt in Widersprüche verstrickte, Lang- und Kurzhaarige verwechselte und Linke im Zug Steine hin- und herwerfen gesehen haben will – als seriös anführte.

Ausführlich ließ er sich über Grewes Frisur wie auch über Zeugenaussagen über dessen Einsatz von Quarzsandhandschuhen aus. Da der Neonazi und Aktivist des NPD-Ordnungsdienstes wisse, dass solche bei Demonstrationen nicht erlaubt seien, würde er sie natürlich auch nicht mit sich führen. Sein Mandant wisse, dass das Tragen von Waffen strafbar sei – derselbe Grewe, bei dem bereits verbotene Waffen wie eine Maschinenpistole und Munition gefunden worden sind. Ohne diese Waffe und angesichts der Notwehr würde jedoch auch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung nicht zutreffen. Des Landfriedensbruchs hätte Grewe sich nicht schuldig gemacht, da zwischen den Angreifern im Zug und den prügelnden Neonazis auf dem Bahnsteig keine räumliche Nähe bestanden hätte. Es sei fragwürdig, ob Grewe überhaupt Teil einer Menschenmenge gewesen sei. Er wäre nach Auffassung von Andrejewski freizusprechen.

„Geschätzter“ NPD-Kollege

Der Verteidiger von Dennis F., der Rostocker Anwalt Sven Rathjens, schloss sich dem Plädoyer des NPD-Landtagsabgeordneten an und wollte die Aussagen seiner „geschätzten Kollegen“ unterstrichen wissen. Den Überfall der Neonazis bewertete er als Folge eines „linken“ Angriffs, bei dem Rechte zur Hilfe gekommen seien. Diese Nothilfe sei gerechtfertigt gewesen, weshalb er für seinen Mandanten wegen fahrlässiger Körperverletzung maximal eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten forderte. Sein Bedauern gelte jenen, meinte er abschließend, die als Unbeteiligte in die Ereignisse hereingezogen worden seien. Dem schloss sich noch kurz sein Mandant F., während Michael Grewe und Stefan V. auch zum Prozessende sich eines Kommentars enthielten.

Das Urteil wird am 16. März verkündet.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow ausführlich unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 05. März 2010

Michael Andrejewski: “Berufsrevolutionär von Rechts”

admin am 5. März 2010 um 17:18

Vor dem Landgericht Rostock tritt der in Baden-Baden geborene Michael Andrejewski (Jahrgang 1959) neben Thomas Penneke (Burschenschaft Redaria-Allemannia Rostock) als Rechtsanwalt für den Neonazi Michael Grewe auf. Ihn und seinen Mandanten verbinden jedoch nicht nur die aktuellen Verhandlungen vor dem Rostocker Landgericht: Als Kollegen, Gesinnungs- und Parteigenossen gehören Grewe und Andrejewski der NPD in Mecklenburg-Vorpommern an. Beide propagieren eine menschenverachtende und gewaltverherrlichende Ideologie.

Der „ideologische Brandstifter“ von Rostock-Lichtenhagen

Michael Andrejewski begann 1982 in der Hansestadt Hamburg zunächst ein Studium der Volkswirtschaftslehre und drei Jahre später ein Jura-Studium. Nahezu zeitgleich mit Beginn seiner akademischen Laufbahn nahm mit der Gründung der „Hamburger Liste für Ausländerstopp“ (HLA) im April 1982 auch die politische Laufbahn von Michael Andrejewski ihren Anfang. Er fungierte als stellvertretender Vorsitzender dieser NPD-nahen Vereinigung und engagierte sich 1989 zudem als Sprecher der Hamburger DVU-Hochschulgruppe.

Nach der Wiedervereinigung verlagerte Andrejewski sein politisches Betätigungsfeld in die neuen Bundesländer und wurde vornehmlich in Rostock aktiv. Dort setzte er sein Studium fort und war Mitbegründer der rechten Gruppierung „Rostock bleibt deutsch“.

Überregionale Bekanntheit erlangte Michael Andrejewski, nachdem ein Mob aus Neonazis und Anwohnern im August 1992 über mehrere Tage hinweg unter dem Beifall tausender Zuschauer eine Flüchtlingsunterkunft im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen angegriffen hatte. Die antiziganistisch motivierten Angriffe hatten sich später auf ein Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter ausgeweitet. Etwa 120 Menschen konnten nur knapp dem Tod in den Flammen entkommen. Andrejewski zeichnete im Vorfeld des Pogroms namentlich für ein Flugblatt verantwortlich, das zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ aufgerufen hatte. Der Aufruf firmierte unter der „Aktion Rostock bleibt deutsch“ mit einer Hamburger Postfachadresse und wurde tausendfach in und um Rostock-Lichtenhagen verteilt. An die „Lieben Rostocker Landsleute“ gerichtet hieß es dort unter anderem, die HLA wolle dazu „anregen, in Rostock eine Bürgerinitiative zu gründen, die deutsche Interessen […] vertritt“. Bezugnehmend auf dieses Flugblatt äußerte Andrejewski 2007 im „Deutschland Radio“, der Aufruf stehe nicht im Zusammenhang mit dem Asylbewerberheim und habe „überhaupt nicht zur Gewalt aufgerufen“. Gemäß dieser Logik fand die rassistische Hetze bereits vier Monate nach dem Pogrom durch die von ihn gegründete „Aktion Mecklenburg/Vorpommern bleibt unser“ (MBU) in Rostock unbeeindruckt ihre Fortsetzung.

Der NPD trat Andrejewski 1994 bei. Er verließ die Stadt Rostock und unterstützte bis zum Jahr 2000 bundesweit die Wahlkämpfe der neonazistischen Partei. Nach einer zweijährigen Referendariatszeit in Stendal beendete er im Alter von 43 Jahren sein Studium mit dem Zweiten Staatsexamen.

Anwalt der „kleinen Leute“?

Im Jahr 2003 ließ sich Michael Andrejewski in einer Plattenbausiedlung in der Kleinstadt Anklam im Landkreis Ostvorpommern nieder. In dem 15.000-Einwohner-Städtchen waren der NPD-Politiker zunächst arbeits- und seine Partei regional nahezu bedeutungslos. Nach nur einem Jahr gelang ihm jedoch mit acht Prozent der Wählerstimmen der Einzug in den Anklamer Stadtrat. Zudem vertritt er die NPD seither im Kreistag von Ostvorpommern. Andrejewski gilt als der aktivste Kommunalpolitiker der NPD im Bundesland. Bereits mehrfach ist es ihm gelungen, auf den Meinungsbildungsprozess in der Anklamer Stadtvertretung Einfluss zu nehmen und sich zum Anwalt der „kleinen Leute“ zu stilisieren. Ideologische Botschaften verknüpft er mit örtlichen sozialen Problemen. So etwa, wenn Andrejewski mit Erfolg den Erhalt einer Kinderbibliothek gegen die Förderung einer Gedenkstätte für Opfer der Wehrmachtsjustiz ausspielt oder Debatten um die Haushaltspolitik zur Pseudo-Systemkritik nutzt. Seine in der Kommunalpolitik gemachten Erfahrungen hat Michael Andrejewski für seine Parteikollegen in einem „Leitfaden für die kommunalpolitische Arbeit“ zusammengefasst und dazu genutzt, mit parlamentarischen Aufgaben überforderte NPD-Kommunalpolitiker in der Region aktiv in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Zur Bundestagswahl 2005 kandidierte Andrejewski als NPD-Spitzenkandidat. In Vorbereitung auf die Landtagswahlen 2006 hatten Michael Andrejewski und der Kameradschaftsführer Tino Müller ein Praktikum bei der sächsischen NPD-Landtagsfraktion absolviert. Kurz darauf wurde Andrejewski in den Landtag gewählt, wo er seither als innenpolitischer Sprecher der NPD-Fraktion auftritt und für Rechtsfragen zuständig ist. „Landtagszirkus“, so Andrejewski gegenüber der „TAZ“, sei für ihn jedoch nebensächlich. Die Wähler der NPD wären schon „[…] zufrieden, wenn wir denen in Schwerin ordentlich die Meinung geigen.“ Das „Bürgerbüro“ des Landtagsabgeordneten befand sich zunächst bei einem „nationalen Wohnprojekt“ in Salchow – einem abgelegenen Privatgrundstück vor den Toren Anklams – und diente der Anklamer Wohnbevölkerung folglich kaum als Anlaufstelle. Seit Ende 2008 stellt Andrejewski sein Angebot von Sprechstunden und „Hartz IV“-Beratungen in den Räumen der „Pommerschen Volksbücherei“ bereit, über die auch seine Anwaltskanzlei gemeldet ist. Die ehemalige Kaufhalle in der Anklamer Innenstadt war zuvor von den Kameradschafts-Aktivisten und NPD-Vorstandsmitgliedern Enrico Hamisch und dem wegen Körperverletzung verurteilten Alexander Wendt unbemerkt ersteigert worden. Letzterer ist – neben dem Stralsunder NPD-Kader Dirk Arendt – für Andrejewski als Wahlkreismitarbeiter tätig.

Beflügelt von seinen Wahlerfolgen äußerte Andrejewski gelegentlich Ambitionen, einst den Bürgermeister von Anklam zu stellen. Zur Anklamer Bürgermeisterwahl im April 2010 will er diesen vollmundigen Ankündigungen Taten folgen lassen. Zuvor wird die Rechtsaufsicht des Landkreises Ostvorpommern jedoch über seine vermeintliche Verfassungstreue befinden. Bereits bei den Landratswahlen im Mai 2008 scheiterte Michael Andrejewski – wie auch sein vorbestrafter Parteikollege Stefan Köster in Ludwigslust – an den Verfahrensregeln: Kreis- und Landeswahlausschuss zweifelten an seiner Verfassungstreue und versagten ihm die Kandidatur. Ganz unverhohlen spricht Andrejewski, der sich selbst als „Berufsrevolutionär von Rechts“ bezeichnet, von seinem Ziel, eine „nationale Alternative“ zum „herrschende[n] Parteiensystem“ zu schaffen.

Nebenklage fordert Haftstrafen

admin am 1. März 2010 um 21:04

Angesichts ausbleibender Reue und rechter Ideologie sei klares Zeichen gegen Neonazi-Gewalt notwendig

Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 01. März 2010

Nach dem Ende der Beweisaufnahme im Prozess um den Überfall einer Gruppe Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007 wurden heute die ersten Plädoyers gehalten. Während die Nebenklagevertreter der Betroffenen Haftstrafen und damit ein deutliches Zeichen gegen rechte Gewalt forderten, plädierte die Staatsanwältin auf Bewährungsstrafen für die beiden mutmaßlichen Haupttäter. Einem unterstellt sie sogar eine Distanzierung von der rechten Szene, obgleich er selber diese nie behauptet hat.

Sowohl die Staatsanwältin wie auch die Nebenklage machten in ihren Schlussworten deutlich, dass sich in Pölchow ein Angriff von Neonazis auf eine nicht-rechte Reisegruppe ereignet hat. Schutzbehauptungen der rechten Szene, “Linksextremisten” hätten einen Überfall auf die NPD-Anhänger geplant, sind eindeutig hinfällig und nicht mehr als “Lügenkonstrukte”, wie eine Anwältin betonte. Stattdessen wurde in den Plädoyers deutlich auf die Aktivitäten von Dennis F. und des NPD-Mitarbeiters Michael Grewe hingewiesen. Sie sollen durch die Gewalt, Grewe zudem durch Kommandos an andere Schläger und Drohungen gegenüber den Opfern aufgefallen sein.

Für Michael Grewe und Dennis F. forderte die Staatsanwältin Strafen von 24 bzw. 16 Monaten, ausgesetzt auf vier bzw. drei Jahre Bewährung. Ein dritter Angeklagter sei mangels Beweisen freizusprechen. Dennis F. hielt sie sogar eine mutmaßliche Distanzierung von der rechten Szene zu Gute – obgleich dieser weder im Prozess Reue noch Kooperationsbereitschaft gezeigt und das Gericht mit einer abenteuerlichen Einlassung verhöhnt hat. Zu den immer anwesenden Neonazi-Kadern hält er engen und freundschaftlichen Kontakt, seine Einlassung war unmittelbar nach dem letzten Verhandlungstag im Volltext auf einer einschlägigen Internetseite erschienen.

Die drei Vertreter der Nebenklage plädierten stattdessen für Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren für die beiden Angeklagten Michael Grewe und Dennis F. Beide seien aktive Mitglieder oder Anhänger der Neonazi-Szene und gemäß ihrer Anschauungen gibt es für sie gar keinen anderen Weg, als Politik mit Gewalt durchzusetzen. Ihre Tat sei “ideologieimmanent” und keine zufällige “Wirtshausschlägerei” gewesen. Angesichts der Schwere des brutalen Angriffs seien Bewährungsstrafen indiskutabel.

“Der Überfall von Pölchow ist nicht eine wahllose Auseinandersetzung, sondern steht im Einklang mit Aktivismus und Ideologie der Neonazi-Szene”, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. “In brutaler Gewalt gegen mißliebige Menschen offenbart sich der Kern extrem rechter Anschauungen. Die Staatsanwaltschaft jedoch scheint auf dem rechten Auge blind zu sein, wenn sie diesen Hintergrund ignoriert und sogar einer vermeintlichen Distanzierung eines der Angeklagten von der rechten Szene Glauben schenkt.”

Ausführliche Informationen sind im Prozessbericht zum siebenten Verhandlungstag zu finden.

Urteil müsse ein klares Signal gegen rechte Gewalt sein

admin am 1. März 2010 um 21:03

Bericht vom siebenten Prozesstag am 01. März 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Haftstrafen, so die Nebenklage in der heutigen Verhandlung im Pölchow-Prozess, wären ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit, dass rechte Gewalt nicht ungestraft bleibt. Nach dem Ende der Beweisaufnahme in der Verhandlung des Überfalls von Neonazis auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher in Pölchow im Sommer 2007 hielten heute die Staatsanwältin und die Anwälte der Betroffenen ihre Plädoyers. Während diese auf die Brutalität der Gewalttat, die Bedeutung der Ideologie und die ausbleibende Reue der Angeklagten aufmerksam machten, forderte die Vertreterin der Anklage Bewährungsstrafen für Michael Grewe und Dennis F.

Zum Beginn des heutigen siebenten Verhandlungstages lehnte das Gericht den Antrag eines der Nebenklageanwälte auf Ergänzung der Anklage um den Vorwurf des versuchten Mordes ab. Außerdem machte die zuständige Jugendgerichtshilfe auf die „erheblichen Reifedefizite“ und die „verzögerte Schulentwicklung“ des Angeklagten Stefan V. aufmerksam. Im Falle einer Verurteilung erfolgen würde, müsste berücksichtigt werden, dass er die Tat nicht alleine und aus eigenem Antrieb begangen hätte. Sie regte eine Verwarnung an.

Staatsanwältin auf dem rechten Auge blind?

In ihrem Plädoyer schilderte die Staatsanwältin den Hergang der Ereignisse, der mit dem Einstieg der nicht-rechten Gruppe von Jugendlichen in jene Regionalbahn begann, in der schon mehr als einhundert Rechte auf dem Weg zur NPD-Demonstration in Rostock saßen. Ein geplantes Vorgehen der alternativen Gruppe zu einem Angriff habe es nicht gegeben, allerdings sei es in ihrem Waggon mit der Aufforderung an einige Rechte, diesen zu verlassen, wohl zu einer ersten Provokation gekommen. Diese würde jedoch nicht die Gewalt rechtfertigen, die anschließend stattfand: Während ein Großteil der Rechten auf dem Bahnsteig verblieb, seien etwa zehn in den Zug gestürmt und hätten dort die Insassen bedroht und auf sie eingeschlagen. Unter diesen seien auf jeden Fall die drei Angeklagten gewesen. Mehrere Auseinandersetzungen hatten sich ergeben, bei denen die Rechten auch mit Zaunlatten auf ihre Opfer eingeschlagen und die Scheiben des Zuges zerstört hätten. Die bedeutende Rolle von Dennis F. und Michael Grewe bei der Gewalt habe durch eine Vielzahl von Zeugenaussagen deutlich gemacht werden können, letzterer habe zudem Kommandos an die Gruppe gegeben. Bis zum Rückzug der Rechten seien diese beiden die Organisatoren des Angriffs gewesen, die entscheidend gehandelt hätten.

Obgleich es als sicher gelten könne, dass Stefan V. an den Auseinandersetzungen beteiligt war, sei ihm keine genaue Tat nachzuweisen und er deshalb freizusprechen. Für Michael Grewe forderte sie ein Jahr und vier Monate in einer Bewährungszeit von drei Jahren. Im Fall von Dennis F. plädierte sie für eine Strafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf eine Bewährungszeit von vier Jahren. Letzterem wurde zu Gute gehalten, dass er seine derzeitigen Bewährungsauflagen erfülle und sich in der Bewährungszeit nichts zu Schulden habe kommen lassen. Zudem schenkte die Staatsanwältin Tanja Bierfreund der Behauptung Glauben, dass Dennis F. sich von der rechten Szene distanziere. Wenig Beachtung bei dieser Einschätzung scheint die Staatsanwältin seinem engen und freundschaftlichen Kontakt mit organisierten Neonazis beigemessen zu haben. So war auch seine Einlassung unmittelbar nach dem vergangenen Prozesstag im Volltext auf einer einschlägigen Internetseite der norddeutschen Neonazi-Szene erschienen.

Gewalt immanenter Bestandteil rechter Ideologie

Der erste Nebenklageanwalt der Betroffenen machte in seinem Schlusswort auf die Ermittlungspannen der Polizei aufmerksam, die von Anfang an von einer wechselseitigen Schlägerei ausgegangen war und die Tatverdächtigen zuerst unter den Angegriffenen gesucht hatte. Darunter litten nicht nur die Ermittlungen gegen die eigentlichen Täter, sondern auch die mediale Öffentlichkeit hatte in weiten Teilen diese falsche Version der Ereignisse übernommen. Nichtsdestotrotz haben die beiden Angeklagten Michael Grewe und Dennis F. diese absurden Behauptungen in ihren Einlassungen aufrecht zu erhalten versucht. Dass sie solchen „großen Käse“ dem Gericht verkaufen wollen, müsste strafverschärfend in das Urteil einfließen. In seiner Zusammenfassung der Ereignisse in Pölchow, die damit begonnen hätten, dass die kleinere rechte Gruppe „mehr oder weniger freiwillig“ das Abteil der nicht-rechten Jugendlichen verlassen hätte, machte er einmal mehr deutlich, dass es sich um keinen in irgendeiner Form geplanten Überfall auf die Neonazis gehandelt haben kann. Stattdessen haben die Rechten angegriffen und ihre Opfer brutal verprügelt. Für die Angeklagten, die aktive Mitglieder oder Anhänger der Neonazi-Szene seien, gäbe es gemäß ihrer Anschauungen auch gar keinen anderen Weg, als Politik mit Gewalt durchzusetzen. So hat es sich bei dem Überfall nicht um „irgendeine Wirtshausschlägerei“ gehandelt: Die hier deutlich gewordene Gewalt ist „ideologieimmanent“. Er betonte außerdem, dass ein Ausstieg von Dennis F. aus der rechten Szene unglaubwürdig ist, da er sich nicht – etwa durch Kooperation in der Verhandlung – von dieser distanziert hat, sondern zu den Neonazis unter den Zuschauern ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Zudem ist für den Nebenklagevertreter das stete Grinsen der Angeklagten Dennis F. und Michael Grewe, die sich zudem vor Gericht als Opfer stilisierten, Ausdruck dafür, dass diese ihre Taten nicht bereuen.

Da es keine Hoffnung gibt, dass die Angeklagten ihre Meinung ohne Gewalt ausdrücken werden, forderte der Anwalt Haftstrafen nicht unter zwei Jahren. Mit diesen muss ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass rechte Ideologie nicht aktiv auf der Straße umzusetzen sei – was müsse noch passieren, fragte er, wenn nicht auf diese Brutalität eine Haftstrafe folge? Sollte diese nicht erlassen werden, plädierte er für „fühlbare Bewährungsauflagen“ in Form von Geldstrafen, die dem Verein zur Betreuung Betroffener rechter Gewalt LOBBI zukommen sollen.

Angeklagte hätten gelogen, dass sich die Balken biegen

Dass Grewe prügelnd durch den Zug gezogen sei, betonte die folgende Anwältin der Nebenklage in ihrem Schlusswort. Die Zeugenaussagen, die Videoaufnahmen und das Ausmaß der Zerstörung zeigen die Rücksichtslosigkeit der Gewalttäter auf. Klare Worte fand die Nebenklagevertreterin für die „Einlassungspapiere“, die sie als „Lügenkonstrukte“ zurückwies und dahingehend monierte, dass „Vernehmungen von Angeklagten (…) mündlich zu erfolgen“ haben. Im Weiteren zeigte sie Widersprüche etwa in den Aussagen über die Flucht auf: „Es ist ein Wunder, dass das Landgericht Rostock noch steht, weil sich die Balken hier so gebogen haben.“ Dahingehend sprechen die schriftlichen Einlassungen gegen die Angeklagten. Im ersten Satz der Einlassung von Michael Grewe, der auf seine Rolle im „Ordnungsdienst“ der NPD anspielt, machte die Anwältin vor dem Hintergrund seiner brutalen Gewalttaten gar einen möglichen „Verbotsgrund für die NPD“ aus. Ausrufe Grewes im Zug haben den Eindruck vermittelt, dass es ihm um Rache für Proteste gegen Neonazi-Aktion in anderen Städten geht. Da Michael Grewe und Dennis F. – dessen Distanzierung von der rechten Szene unglaubwürdig ist – bereits einschlägig vorbestraft sind, forderte sie Haft nicht unter zwei Jahren.

Der dritte Nebenklageanwalt der Betroffenen forderte wegen Mittäterschaft auch eine Strafe für Stefan V. Er wies auf den paramilitärischen Hintergrund des Angriffs hin, die organisiert ausgeführt worden sei, und fragte weiterhin nach der Rolle des Schweriner NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs, der die Rechten zum Entfernen von Tatort aufgefordert hatte. Strafmildernde Umstände für die Taten oder eine positive Prognose für die Angeklagten sah der Nebenklagevertreter nicht. Angesichts der rechten Ideologie und der Schwere des Angriffs sind Bewährungsstrafen „indiskutabel“, er forderte für Grewe und F. Freiheitsstrafen von fünf Jahren. Bei Menschen dieser Gesinnung, so hieß es, „ist Hopfen und Malz verloren“.

Auch heute machten sich die anwesenden Neonazis im Gerichtssaal wieder über den Prozess lustig. Unter den Rechten vor allem aus dem Umkreis Rostocks und Ostvorpommern befand sich auch Stefan Köster, Landesvorsitzender und Landtagsmitglied der NPD. Der wegen Körperverletzung vorbestrafte Neonazi, der ebenfalls der Reisegruppe der Rechten angehörte, hatte am 30. Juni 2007 unmittelbar nach dem Gewaltexzess als Redner auf der NPD-Demonstration in Rostock den Tathergang aus Sicht der NPD geschildert und das Märchen von einem Anschlag linker „Terroristen“ verbreitet.

Die Plädoyers der Verteidigung und das Urteil sind für die nächsten beiden Verhandlungstage am 5. und am 16. März geplant.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow ausführlich unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 01. März 2010

Angeklagter macht Verhandlung zur Farce

admin am 22. Februar 2010 um 18:29

Dennis F. lässt abenteuerliche Einlassung zu Tatvorwürfen verlesen – Nebenklageanwalt will Anklage um versuchten Mord ergänzen

Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 22. Februar 2010

Im Prozess um den Überfall einer Gruppe Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007 hat am heutigen sechsten Verhandlungstag einer der Angeklagten eine Einlassung verlesen lassen, deren kreatives Potential beachtlich war. Ein Polizeivideo vermittelte einmal mehr einen Eindruck von der Brutalität des rechten Angriffs und der Nebenklageanwalt eines Betroffenen beantragte, die Anklage um den Vorwurf des versuchten Mords zu ergänzen.

In seiner Einlassung zum Ende des Prozesses, nachdem er alle Vorwürfe gegen sich schon gehört hat, stellte der Angeklagte Dennis F. seine Version des rechten Überfalls vor. “Linksextremisten” hätten seine mehr als 100 Personen starke Gruppe ausgespäht und nach dem Betreten des Zuges einzelne Rechte angegriffen. Fast schon heldenhaft hätte F. seine Gesinnungsgenossen verteidigt und dabei die Ereignisse noch so genau wahrgenommen, dass sie den Verlautbarungen entsprechen, die NPD und Neonazi-Szene seit mehr als zwei Jahren verbreiten. Auch der Angeklagte Michael Grewe, Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion, ließ zum Prozessauftakt eine ähnliche Einlassung verlesen.

Filmaufnahmen vom Polizeieinsatz, die im heutigen Prozess gezeigt wurden, widerlegten diese Behauptungen von schwarz uniformierten “Linksextremisten”, die Rucksäcke voller Steine mit sich geführt und mit diesen im Zug herumgeworfen hätten. Stattdessen zeigten sie einmal mehr das Ausmaß der rechten Gewalt und dokumentierten die vielen Verletzungen, die die Gruppe der nicht-rechten Jugendlichen bei dem Neonazi-Angriff erleiden mussten. Nach Zeugenaussagen, die die Brutalität der Neonazis deutlich gemacht hatten, beantragte einer der Anwälte der Nebenklage heute die Ergänzung der Anklage um den Vorwurf des versuchten Mords. Wären die Angreifer nicht abgelenkt worden, so ein Betroffener, hätten sie seinen Mandanten totgeschlagen. Die Rechten hätten geplant und aus niederen Beweggründen gehandelt, da sie ihre Opfer nur aufgrund von deren politischer Einstellung angegriffen hätten.

Auch am heutigen Verhandlungstag wurde einmal mehr die fragwürdige Rolle der Schweriner NPD-Landtagsabgeordneten offenbar. Damals waren die NPD-Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster und Tino Müller in der rechten Reisegruppe gewesen. Keiner der Betroffenen hat sie jedoch einschreiten oder ihre Anhänger beruhigen sehen. Der Angeklagte F. ließ heute erklären, dass er sich auf Anregung von Pastörs vom Tatort entfernt hätte. Bereits Michael Grewe hatte kundgetan, dass ihn der NPD-Fraktionsvorsitzende zum Fußmarsch nach Schwaan aufgefordert hatte. Der Lokführer hatte im Gericht berichtet, dass Pastörs ihn damals noch vor dem Eintreffen der Polizei zur Weiterfahrt gedrängt hatte.

“Mit ihren Aussagen wollen die Angeklagten den Prozess offenbar zu einer Farce verkommen lassen”, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. “Ihre Einlassungen widersprechen den Berichten der Betroffenen, der unbeteiligten Zeugen und der Polizei. Dies zeigt einmal mehr, dass sowohl Grewe als auch F. keine Reue über ihre Beteiligung an dem Überfall in Pölchow empfinden, dass Gewalt für sie akzeptiertes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist.”

Ausführliche Informationen sind im Prozessbericht zum sechsten Verhandlungstag zu finden.