“Brutale Gewalt ist Bestandteil wie logische Konsequenz ihres Hasses”

Rede der Prozessgruppe Pölchow zur Kundgebung “Rechter Gewalt offensiv
entgegentreten” am 15. März in Rostock.

In der Verhandlung des rechten Überfalls in Pölchow ist einmal mehr deutlich geworden, wie brutal die Nazis gegen ihre Opfer vorgegangen sind: Ohne Hemmungen traten und schlugen sie auf sie ein, zerrten sie an ihren Haaren in den Mob der Angreifer, prügelten mit Holzlatten, warfen sie eine Böschung hinunter. Keiner der anwesenden NPD-Kader versuchte, die Neonazis von der Gewalt abzuhalten – warum auch, ist doch die Gewalt untrennbarer Teil jeder rechten Ideologie.

Stattdessen nahmen die Partei-Funktionäre die Schläger wohlwollend in Schutz: Während die im Internet ihren brutalen Exzess feierten und T-Shirts mit der Aufschrift “Endstation Pölchow” zur Schau stellten, wetterte die NPD über einen linken Überfall. Gegen diesen habe man sich zur Wehr setzen müssen, so die Neonazi-Partei gegenüber Presse und Polizei.

Und diese glaubten trotz gegenteiliger Bilder am Tatort diesen Lügenmärchen. Von Auseinandersetzungen zwischen “Linken und Rechten” schrieben sie, die Polizei ermittelte monatelang gegen die Opfer. Und vergaß dabei die eigentlichen Täter: Michael Grewe, ein überregional bekannter Neonazi-Funktionär und Kommunalpolitiker der NPD, wurde per Steckbrief als “unbekannter Randalierer” gesucht. Woher sollte die Polizei die Rechten auch kennen, hatte sie in Pölchow doch weder ihre Personalien aufgenommen noch die Videos beschlagnahmt, die die Neonazis eifrig von ihrem Überfall gemacht hatten. Diesen Ermittlungspannen ist es geschuldet, dass von den vielen Rechten nur drei auf der Anklagebank landeten – ganze zweieinhalb Jahre nach dem Angriff.

Doch was sie mit ihnen im Gericht anfangen sollte, schien die Staatsanwaltschaft nicht so richtig zu wissen. Ihre Beiträge im Gericht ließen sich an einer Hand abzählen. Und wenn die Staatsanwältin mal etwas zu sagen hatte, schien es die Tatverdächtigen noch zu entlasten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Staatsanwaltschaft kümmerliche Bewährungsstrafen für die beiden Hauptverdächtigen forderte und einem sogar unterstellte, sich von der Neonazi-Szene distanziert zu haben.

Aber selbst das war den Angeklagten noch zu viel. Befragen lassen wollten sie sich nicht, aber unverfroren tischen der NPD-Funktionär Michael Grewe und Dennis Franke in Stellungnahmen dem Gericht Märchen auf, wie sie wagemutig gegen angreifende Linke vorgegangen seien. Die Anwälte, darunter das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewksi, der Rostocker Hausanwalt der Neonazi-Szene Thomas Penneke oder dessen Kanzleikollege Sven Rathjens, sekundierten. In ihren Schauergeschichten hieß es, dass die Opfer einen Angriff der Neonazis erst hätten provozieren wollen oder mit Steinen aus dem Zug heraus die Rechten angegriffen hätten. Todesmutig und engelsgleich dagegen seien die Neonazis in den Waggon dieser angeblichen “Linksextremisten” gesprungen, um Ruhe herzustellen. Denn gewalttätig, so hieß es, könnten sie ja gar nicht sein, schließlich seien sie ja in der Friedenstruppe namens NPD-Ordnungsdienst aktiv. Die Polizei, so Neonazi-Anwalt Andrejewski, hätte auch nicht anders gehandelt.

Solche Phrasen sind es, mit denen seit Jahren Neonazi-Gewalt nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern kleingeredet oder legitimiert wird. Der Hass gegen Andersdenkende, gegen Menschen nicht-deutscher Herkunft oder auch gegen Obdachlose eint die rechte Szene, und brutale Gewalt ist Bestandteil wie logische Konsequenz ihres Hasses. Einschüchterungen, Drohungen und Übergriffe gehören zum Alltag von nicht-rechten Jugendlichen oder Migranten. Viele, so Opferberatungsstellen, nehmen dies als Normalität wahr und denken gar nicht mal mehr an den Gang zur Polizei oder Gegenwehr.

Nicht nur in der mecklenburgischen Provinz, sondern auch in Rostock und unserer unmittelbaren Nachbarschaft droht das Auftreten von Neonazis zum Alltag zu werden. Sie bedrohen alternative Jugendliche, schänden Gedenkstätten, greifen linke Projekte an oder werfen die Scheiben demokratischer Politiker ein. Nicht nur auf Flugblättern und in Schmierereien propagieren sie ihre Ideologie des Hasses. Nur ein paar Meter entfernt von hier verbreiten Neonazi-Laden und NPD-Büro seit Jahren ihre Hetzpropaganda und werden viel zu selten in ihrem Treiben gestört.

Eigeninitiative und ein starkes und selbstbewusstes Auftreten sind es jedoch, die Neonazis in die Schranken weisen können. Dem Staat können wir den Antifaschismus nicht überlassen: Die Polizei wirft Neonazis wie ihre Opfer unterschiedslos in einen Topf. Medien und vermeintlich linke Internetprojekte wie “Endstation Rechts” folgen dieser Argumentation und reden schnellstmöglich den “Extremismus” daher. Die rassistische, nationalistische und antisemitische Ideologie der Neonazis als Basis ihrer Gewalt blenden sie dabei aus. Der Staatsanwaltschaft, vor der wir heute stehen, war diese Ideologie keiner Erwähnung wert. Der Hass der Neonazis und ihre Propaganda sind jedoch die Grundlage wie auch der Kern jeder rechten Gewalt. Ein konsequenter Antifaschismus nimmt deshalb nicht Neonazis als Straftäter ins Visier, sondern eine politische Bewegung, die nichts anderes als die Barbarei herstellen will und ihren Ursprung in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft hat. Der Staat ist kein Antifaschist – nur das konsequente Engagement von uns allen vor Ort und auf der Straße kann rechte Gewalt effektiv eindämmen.

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